Martin, der Schuster
Nach eine Erzählung von Leo Tolstoi
In einem fernen Land lebt Martin, der Schuster. Er wohnt in einem sehr kleinen Haus. Wenn Martin durch sein Fenster schaut, kann er nur die Beine der Menschen sehen. Aber Martin, kennt die Schuhe in seinem Dorf. Er hat sie alle schon einmal geflickt. Deshalb weiß er genau, welches Gesicht zu welchen Schuhen gehört.
AKTION: Wir bauen mit unseren Schuhen ein kleines niedriges Haus.
Jeden Abend liest Martin, der Schuster, in seiner Bibel. Die Geschichten von Gott, von Jesus und seinen Freundinnen und Freunden machen ihm Mut und schenken seinem Herzen Frieden.
AKTION: Eine schöne Bibel wird in das Haus gelegt.
An einem kalten Winterabend liest Martin in seiner Bibel. Da hört er eine leise und freundliche Stimme: „Martin, Martin!“ Martin schaut sich um: „Ist jemand hier?“.
Er kann niemand sehen. Dann hört er die Stimme noch einmal: „Martin, Martin! Schau morgen auf die Straße. Ich werde kommen. Ich will bei dir zu Gast sein.“
Am nächsten Morgen weiß Martin nicht mehr: Habe ich das geträumt oder hat vielleicht Jesus zu mir gesprochen? Will Jesus wirklich mich besuchen? Auf jeden Fall will er an diesem Tag die Straße ganz genau beobachten. Er kocht sich eine große Kanne Tee und fängt zu arbeiten an. Die Schuhe, die zuerst am Fenster vorbeikommen, kennt er. Die abgetragenen, geflickten Filzstiefel gehören dem alten Stefan. Für ein paar Münzen schaufelt er den frischen Schnee von der Straße weg. Jeder Schritt fällt ihm schwer in dieser bitteren Kälte. Ab und zu wärmt er die Hände mit seinem Atem. Martin denkt: In meiner großen Teekanne ist genug Tee für zwei. Er öffnet die Tür und ruft: „Stefan, komm herein! Wärm dich ein wenig auf. Trink eine Tasse heißen Tee mit mir.
AKTION: Eine Teekanne wird ins Haus gestellt (und evtl. zwei Tassen).
Ein warmer Tee, das tut gut bei dieser Kälte.
Stefan bedankt sich und beginnt nach einer kleinen Weile wieder mit dem Schnee schaufeln. Martin arbeitet an seinen Schuhen und schaut immer wieder durchs Fenster. Die nächsten Schuhe, die vorbeilaufen kennt Martin nicht. In alten Bauernsandalen und gestopften Wollsocken hasten ein paar junge Füße durch den Schnee. Es ist eine junge Frau. Sie versucht, ihr Baby in ein dünnes Tuch zu wickeln. Aber das Tuch ist viel zu klein. Das Baby friert und fängt an zu schreien.
Martin öffnet seine Tür und ruft: „Gute Frau, gute Frau! Was stehst du da mit dem Kindchen in der Kälte? Komm in die Stube, hier in der Wärme wirst du es besser wickeln können.“ Etwas unsicher kommt sie in das kleine Haus.
Diese arme Frau besitzt nichts als die einfachen, dünnen Kleider, die sie trägt.
Noch ein paar Stunden, dann wäre sie bei einer alten Tante – und in Sicherheit.
Aber nun kommt dieser kalte Winter. Sie weiß nicht, ob sie es mit ihrem Kind bei diesem eisigen Frost den Weg schaffen wird. Martin geht er an seinen Schrank.
Er hat ja zwei dicke Mäntel. Einen schenkt er der Frau. Und für das Kind gibt er ihr einen dicken, warmen Wollschal zum Einwickeln.
AKTION: Ein Winterschal wird ins Haus gelegt.
Die Frau ist glücklich und bedankt sich. Mit dem warmen Mantel und dem dicken Wollschal werden sie und das Baby das letzte Stück ihres Weges sicher schaffen.
Der Tag vergeht. Langsam wird es dunkel. Eine alte Frau aus dem Nachbardorf geht an Martins Fenster vorbei. Auf dem Rücken trägt sie einen Korb. Nur noch ein paar Äpfel liegen darin. Die anderen Äpfel hat sie heute in den Dörfern verkauft. Da kommt ein Junge um die Ecke gerannt. Er greift in den Korb, nimmt sich einen Apfel und will weglaufen. Die Frau dreht sich um und packt den Jungen fest am Ärmel. Er schreit, sie schimpft.
Schnell läuft Schuster Martin nach draußen und ruft: „Lass ihn laufen, Mütterchen! Verzeihe ihm, so wie Jesus es uns geboten hat.“ Da lässt sie ihn los.
Martin sagt zu dem Jungen: „Bitte das Mütterchen um Verzeihung, und künftig tu's nicht wieder!“ Dem Jungen rinnen Tränen über seine Wangen und er bittet um Verzeihung. Der alten Frau wird es warm ums Herz. Sie denkt an ihre eigenen Enkel und schenkt dem Jungen den Apfel. Sie will wieder ihren schweren Korb auf den Rücken nehmen und weitergehen. Der Junge schaut sie an und sagt:
„Lass mich den Korb tragen, Großmütterchen, wir haben denselben Weg.“
So laufen sie friedlich nebeneinander den Weg ins nächste Dorf.
Martin schmunzelt: Was so ein Apfel alles bewirken kann!
AKTION: Ein Apfel wird ins Haus gelegt.
Inzwischen ist es dunkel geworden.
Martin zündet eine Lampe an und holt sich seine Bibel. Da hörte er wieder die Stimme, die gestern schon zu ihm gesprochen hatte: „Martin, Martin, hast du mich erkannt? Ich war heute bei dir!“ Martin ist überrascht und schüttelt den Kopf.
Da sieht er in der Ecke seiner Stube für einen kleinen Moment den alten Stefan mit seiner Schneeschaufel. „Das war ich“, sagte die Stimme. Und im nächsten Augenblick lächelt ihm die Frau mit ihrem Baby zu. „Auch da war ich bei dir, Martin.“ Dann sieht er noch die alte Frau und den Jungen. In der Hand hat er den Apfel und er strahlt übers ganze Gesicht. „Auch das war ich.“ Danach sind alle wieder weg und alles ist still.
AKTION: Eine Osterkerze wird ins Haus gestellt.
Martin wird es ganz warm ums Herz. Er schlägt seine Bibel auf und findet folgende Zeilen: Wenn ihr einen armen Menschen etwas Gutes tut, dann habt ihr es für mich getan; dann bin ich bei Euch. Martin versteht: Jesus war heute wirklich bei mir zu Gast gewesen!
Neu erzählt von Herbert Adam